Einmal geht’s noch

„Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ von James Mongold

von Renate Wagner

Indiana Jones und das Rad des Schicksals
Indiana Jones and the Dial of Destiny - USA 2023

Regie: James Mongold
Mit: Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridge, Mads Mikkelsen, Antonio Banderas u.a.
 
Einmal geht’s noch? Ja, einmal ist es noch gegangen. Zum fünften und wohl letzten Mal. Nostalgie pur. Alt geworden mit Spielbergs Schatzjäger – Harrison Ford und das Publikum, das mit ihm jung war. Denn es sind unglaubliche 42 Jahre her, daß man dem Archäologen und Abenteurer Dr. Jones alias Indy erstmals begegnete, damals schon mit dem Markenzeichen, dem charakteristischen Hut und die Peitsche, die er hervorzieht, wenn er auf Abenteuer ausgeht. Harrison Ford war damals Ende 30 und bereits als „Star Wars“-Held Han Solo weltberühmt. Aber was Steven Spielberg ihm und dem Publikum bot, war wiederum eine Sensation anderer Art.
Dreimal (1981, 1984 und 1989) jagte Ford in den achtziger Jahren hinter archäologischen Artefakten her, dann folgte eine Generalpause bis 2008, und nun sind wieder 15 Jahre vergangen, bis Indiana Jones wieder aufgetaucht ist – ein bißchen klapprig geworden, sein Alter nicht verbergend, aber dennoch mit einem tiefen Durchatmen wieder zu Action bereit wie anno dazumal.
 Viermal hatte Steven Spielberg sich mit dieser Art „Kinderkino“ für Kinder und Erwachsene „gespielt“, nun zog er sich auf den Produzentensessel zurück, wo er auf George Lucas traf, der gerochen hat, daß in dieser Story noch einmal Geld steckt. Grundsätzlich bleibt unter Regisseur James Mangold alles beim Alten – und das ist wohl die Stärke der mit einiger Sicherheit letzten Episode. Einmal ging’s noch.
 
Das Erfolgsrezept: Irgendein sagenhaftes, mit überirdischen Kräften begabtes historisches Stück – bisher waren es nichts Geringeres als die Bundeslade, ein magischer indischer Stein, ein Kreuz und ein Kristallschädel. Diesmal soll es, weil die Geschichte in Rückblende wieder bei den Nazis beginnt, die Heilige Lanze sein, auf die Hitler bekanntlich so wild war. Aber als sich diese als Fälschung erweist, muß das titelgebende „Rad des Schicksals“ her (das immerhin Archimedes konstruiert haben soll!!!), eine Art antikes Astrolabium, das die Eigenschaft besitzt, jemanden per Zeitreise flugs in die Vergangenheit zurück zu versetzten… Darf eine der hübschesten Pointen des Films gleich verraten werden? Als der böse Nazi ins Dritte Reich zurück will, um Hitler vor dem Untergang zu retten, funktioniert das Ding nicht so recht und sie landen in der Antike… das ist wirklich lustig, Clash of Cultures. Überhaupt lauert hinter all dem Drehbuch-Unsinn etwas Bildungsspaß, wenn man etwa in Sizilien im berühmten „Ohr des Dionysos“ landet.
 
Kurz gesagt, ein durch KI schier unglaublich verjüngter Harrison Ford legt sich mit den Nazis an, um ein Vierteljahrhundert später sein Patenkind auf dem Hals zu haben, Die Struktur ist auch hier dieselbe wie in den früheren Filmen, es muß eine attraktive, intelligente junge Frau geben und später auch noch einen pfiffigen kleinen Jungen, der für Pointen und gelegentlich auch Rettungsaktionen eingesetzt wird. Nur, daß es beim alten Indy nicht mehr um ein Love Interest geht, sondern um eine etwas zwielichtige junge Dame, die das „Rad des Schicksals“ in der kriminellen Unterwelt höchstbietend verhökern möchte. Was der Patenonkel natürlich nicht zulassen kann.
Es gibt ein bißchen Spielfilm-Handlung und sehr viel Action – die schönste ist wohl jene, wo sich Harrison Ford (immer noch von den Nazis gejagt, die sind ja bekanntlich überall) aufs Pferd springt und in die New Yorker Untergrundbahn reitet. Nicht nur auf den Perrons, sondern auch auf den Schienen, und keine Frage, daß ein rasender Zug direkt auf ihn zukommt. Keine Angst, er überlebt es, sonst könnte es in Marrakesch nicht eine sagenhafte Hetzjagd auf wackligen TucTucs geben… Ob unter Wasser, ob in tiefen Höhlen, irgendwas Dramatisches passiert immer.
 
Die Stärke der Filme bestand immer in dem Augenzwinkern, mit dem sie gemacht wurden, und das funktioniert auch hier wieder. Harrison Ford hat als eingestandener alter (weißer) Mann nichts von seinem Charisma verloren, „Bösewicht“ Mads Mikkelsen genießt geradezu triefend den bösen Nazi (da ist Thomas Kretschmann in der Rückblende schon etwas diskreter), Phoebe Waller-Bridge hat ein unverbrauchtes Filmgesicht, Toby Jones gibt ihren Vater, einen zappeligen Wissenschaftler, John Rhys-Davies ist wieder als hilfreicher alter Araber dabei, und was Antonio Banderas bewegen konnte, in der Nebenrolle eines griechischen Kapitäns aufzutauchen, in der man ihn erst auf den dritten Blick erkennt, mag nur er wissen.
Alles in allem: Nichts ernst nehmen und bereit sein, grenzenlos Spaß zu haben – dann ist man das richtige Publikum für Indys letztes Abenteuer, das auch noch ganz, ganz sentimental ausgeht, aber schön, wenn er eine alte Liebe wieder findet … 
 
 
Renate Wagner